Die Kunst, echte Nähe zu schaffen: Intimität in der Partnerschaft

Ein glückliches Paar liegt unter einer Decke im Bett, lächelt sich liebevoll an und genießt einen intimen Moment der Verbundenheit.

Intimität ist mehr als das bloße Teilen von Momenten. Sie ist das Band, das Menschen miteinander verbindet, das Herz und Seele einer Beziehung formt. Echte Nähe entsteht nicht zufällig; sie ist das Ergebnis von Achtsamkeit, Kommunikation und der bewussten Entscheidung, sich dem Partner gegenüber zu öffnen. Doch warum fühlen sich viele Paare dennoch voneinander entfernt, selbst wenn sie physisch beieinander sind? Intimität ist ein Prozess, der Pflege braucht – und das in einer Zeit, in der wir oft mehr Zeit mit Bildschirmen als mit den Menschen verbringen, die uns am wichtigsten sind. Dieser Artikel zeigt, wie Sie den Weg zu authentischer Nähe finden können, um Ihre Partnerschaft zu bereichern und nachhaltig zu stärken.


Was bedeutet Intimität wirklich?

Intimität ist mehrdimensional. Sie kann körperlich, emotional, intellektuell und sogar spirituell sein. Sie bedeutet nicht nur, Zeit miteinander zu verbringen, sondern sich wirklich aufeinander einzulassen – ohne Masken, ohne Mauern. In einer intimen Beziehung fühlen sich beide Partner gesehen, gehört und verstanden. Diese Nähe schafft ein Gefühl von Sicherheit, das es ermöglicht, auch schwierige Themen anzusprechen und Schwächen zu zeigen.

Emotionale Intimität entsteht beispielsweise durch das Teilen von Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen, ohne Angst vor Verurteilung. Körperliche Intimität reicht über Sexualität hinaus und umfasst jede Form von Berührung, die Geborgenheit vermittelt. Intellektuelle Intimität zeigt sich in der Fähigkeit, Ideen und Meinungen offen auszutauschen, während spirituelle Intimität oft durch das Teilen von Werten, Zielen oder Glaubensvorstellungen gekennzeichnet ist. All diese Ebenen zusammen bilden ein Geflecht, das Beziehungen stabil und erfüllend macht.

Eine Nahaufnahme zweier ineinander verschlungener Hände auf einem Bett, die emotionale und körperliche Nähe symbolisieren.

Warum scheitern viele an echter Nähe?

Intimität verlangt Verletzlichkeit – und genau das fällt vielen schwer. In einer Gesellschaft, die oft Stärke und Unabhängigkeit glorifiziert, erscheint es als Schwäche, sich emotional zu öffnen. Häufig stehen auch Ängste im Weg: die Angst, nicht gut genug zu sein, die Angst vor Zurückweisung oder die Angst, vom Partner enttäuscht zu werden.

Ein weiteres Hindernis ist der Alltag. Verpflichtungen, Zeitdruck und digitale Ablenkungen führen dazu, dass Paare einander nicht mehr wirklich zuhören. Oftmals wird Kommunikation auf organisatorische Themen reduziert: Wer holt die Kinder ab? Was gibt es zu essen? Wann zahlen wir die nächste Rechnung? Das Bedürfnis nach echter Nähe bleibt dabei unbefriedigt.

Hinzu kommen unausgesprochene Erwartungen. Viele Menschen erwarten, dass Intimität von selbst entsteht, doch das ist selten der Fall. Ohne aktives Bemühen kann selbst die tiefste Liebe unter der Oberfläche verkümmern. Doch genau hier liegt die Chance: Indem wir die Hindernisse erkennen, können wir beginnen, sie bewusst zu überwinden.

Ein leidenschaftliches, oberkörperfreies Paar in enger Umarmung, das sich kurz vor einem Kuss befindet. Die intime Atmosphäre unterstreicht die emotionale und körperliche Nähe.

Einfluss äußerer Faktoren auf Intimität

Die heutige Zeit bringt spezifische Herausforderungen für Intimität mit sich. Technologie, insbesondere soziale Medien, bietet zwar Möglichkeiten zur Kommunikation, kann jedoch auch Distanz schaffen. Das ständige Scannen von Nachrichten oder Scrollen durch Feeds lenkt von der Beziehung ab und vermindert die Qualität gemeinsamer Zeit.

Auch gesellschaftliche Erwartungen beeinflussen Intimität stark. In einer Welt, die Perfektion und Erfolg betont, fällt es vielen schwer, Schwächen oder Verletzlichkeit zu zeigen – beides Grundpfeiler echter Nähe. Zeitmangel, beruflicher Druck und wirtschaftliche Unsicherheiten können ebenfalls Intimität erschweren, da die Energie fehlt, sich auf den Partner zu konzentrieren. Hier gilt es, bewusste Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Lebensphasen und Intimität

Intimität verändert sich mit den Lebensphasen. In der Anfangsphase einer Beziehung sind Aufregung und Neugier oft stark ausgeprägt, was Intimität auf natürliche Weise fördert. Doch mit der Zeit kann Routine eintreten. Nach der Geburt eines Kindes sehen viele Paare ihre Beziehung neuen Herausforderungen ausgesetzt. Schlafmangel, veränderte Rollen und neue Verantwortungen können die emotionale Nähe belasten.

Im späteren Lebensalter, insbesondere nach dem Auszug der Kinder, erleben viele Paare eine Renaissance der Intimität. Nun haben sie wieder mehr Zeit füreinander, doch es bedarf bewusster Anstrengungen, sich aufeinander einzulassen und gemeinsam neue Erfahrungen zu machen.

Wissenschaftliche Grundlagen und Studien zur Intimität

Intimität ist nicht nur ein emotionales oder psychologisches Phänomen, sondern hat auch eine starke neurobiologische Grundlage. Hormone wie Oxytocin, oft als „Kuschel- oder Bindungshormon“ bezeichnet, spielen eine zentrale Rolle. Oxytocin wird durch Berührungen, Umarmungen und intime Gespräche freigesetzt und fördert Vertrauen sowie Bindung zwischen Partnern. Auch Dopamin, das Belohnungshormon, wird durch positive Interaktionen aktiviert und verstärkt das Gefühl von Zuneigung. Gleichzeitig kann Cortisol, das Stresshormon, durch Konflikte oder fehlende Nähe erhöht werden, was Intimität negativ beeinflusst.

Studien zeigen, dass Paare, die regelmäßig intime Momente teilen, oft eine höhere Lebenszufriedenheit und ein besseres Wohlbefinden haben. Eine bekannte Studie der Universität Harvard betonte, dass enge Beziehungen – und nicht Karriere oder Geld – entscheidend für ein glückliches Leben sind. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von Intimität, nicht nur in romantischen Partnerschaften, sondern in allen engen Beziehungen.

Wie Sie Intimität bewusst fördern können

1. Zeit zu zweit priorisieren

Zeit ist die Grundlage jeder Verbindung. In einer Partnerschaft geht es nicht nur darum, Zeit nebeneinander zu verbringen, sondern wirklich miteinander. Planen Sie bewusst Momente, in denen Sie sich ohne Ablenkungen aufeinander konzentrieren. Das kann ein regelmäßiger „Date-Abend“ sein, aber auch ein einfacher Spaziergang im Park. Wichtiger als die Aktivität selbst ist die bewusste Entscheidung, Zeit füreinander zu reservieren.

Sorgen Sie dafür, dass diese Zeit heilig ist: Legen Sie das Smartphone weg, schalten Sie den Fernseher aus und seien Sie ganz bei Ihrem Partner. Diese Momente schaffen nicht nur Nähe, sondern geben beiden die Möglichkeit, wieder bewusst wahrzunehmen, warum sie sich füreinander entschieden haben.

2. Ehrliche Kommunikation üben

Kommunikation ist der Schlüssel zur Intimität – aber nicht jede Kommunikation führt automatisch zu Nähe. Es geht nicht nur darum, Worte auszutauschen, sondern ehrlich und offen zu sein. Teilen Sie Ihre Gedanken und Gefühle, auch wenn sie unangenehm sind. Eine gesunde Beziehung erlaubt es beiden Partnern, ihre Wünsche, Ängste und Bedürfnisse ohne Angst vor Verurteilung auszudrücken.

Üben Sie, aktiv zuzuhören. Das bedeutet, Ihrem Partner Raum zu geben, ohne ihn zu unterbrechen oder direkt Ratschläge zu erteilen. Manchmal reicht es, einfach da zu sein und zu zeigen, dass Sie verstehen. Ehrlichkeit schafft Vertrauen, und Vertrauen ist das Fundament jeder intimen Beziehung.

3. Berührung als Schlüssel nutzen

Berührung ist eine der stärksten Formen von Nähe. Sie löst nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Reaktionen aus. Studien zeigen, dass Berührungen wie eine Umarmung oder das Halten von Händen das Hormon Oxytocin freisetzen, das für Gefühle von Vertrauen und Geborgenheit verantwortlich ist.

Im hektischen Alltag wird körperliche Nähe oft vernachlässigt, doch schon kleine Gesten können Großes bewirken. Eine kurze Umarmung nach einem langen Tag, ein Kuss am Morgen oder das Sitzen nebeneinander auf der Couch – all diese Momente stärken die Verbindung.

Ein Paar in enger Umarmung, das sich liebevoll aneinander schmiegt. Die romantische Beleuchtung verstärkt die intime Atmosphäre.

4. Gemeinsame Erlebnisse schaffen

Erinnerungen sind die Bausteine einer Beziehung. Neue Erfahrungen schweißen zusammen, weil sie ein Gefühl von Abenteuer und Verbundenheit schaffen. Planen Sie Aktivitäten, die Ihnen beiden Freude bereiten oder die Sie noch nie ausprobiert haben. Das kann eine Reise sein, ein gemeinsamer Kochkurs oder ein kreatives Projekt.

Solche Erlebnisse brechen die Routine und zeigen, dass Sie bereit sind, gemeinsam zu wachsen. Zudem bieten sie Gesprächsstoff und sorgen dafür, dass die Beziehung lebendig bleibt.

5. Verletzlichkeit zulassen

Verletzlichkeit ist keine Schwäche, sondern ein Ausdruck von Mut. Sich dem Partner in seiner ganzen Authentizität zu zeigen – mit all seinen Unsicherheiten und Unvollkommenheiten – ist der Kern echter Intimität. Es bedeutet, die Schutzmauern niederzureißen und zu vertrauen, dass der andere uns so annimmt, wie wir sind.

Diese Offenheit schafft eine tiefe Verbindung, die über Oberflächlichkeiten hinausgeht. Sie erlaubt es beiden Partnern, einander wirklich zu erkennen und zu lieben – mit all den Facetten, die sie einzigartig machen.

Perspektiven aus der Paartherapie

Paartherapeuten berichten häufig, dass fehlende Intimität ein wiederkehrendes Problem ist. Typische Situationen sind Paare, die „aneinander vorbeileben“ oder Schwierigkeiten haben, Verletzungen aus der Vergangenheit loszulassen. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Paar, das sich nach Jahren der Beziehung voneinander entfremdet fühlte, lernte durch eine einfache Übung namens „Liebesbrieftaustausch“ wieder, ihre Zuneigung auszudrücken.

Ein weiteres Modell aus der Therapie ist die „GIRAFFE-Methode“ (Gefühle, Ich-Botschaften, Respekt, Akzeptanz, Fokussierung, Erleben). Hierbei üben Paare, sich gegenseitig zuzuhören, ohne zu unterbrechen, und achtsam auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen. Diese Ansätze zeigen, dass kleine Veränderungen oft große Wirkung haben.

Checkliste: Intimität erleben – neue Wege für Ihre Beziehung

Intimität erleben ist nicht nur das Resultat einer funktionierenden Beziehung, sondern auch eine bewusste Entscheidung und tägliche Praxis. Diese Checkliste bietet konkrete, umsetzbare Schritte, die neue Perspektiven eröffnen und Ihnen helfen, die emotionale, mentale und spirituelle Verbindung zu vertiefen.

🌱 Räume für individuelle Entfaltung schaffen

Unterstützen Sie die persönlichen Interessen Ihres Partners, auch wenn sie nicht Ihre eigenen sind. Schaffen Sie Zeit für individuelle Aktivitäten, um gestärkt in die Beziehung zurückzukehren.

🗝️ Geheimnisse teilen – aber anders

Sprechen Sie über Kindheitserinnerungen, Träume oder Fantasien, die Sie noch nie geteilt haben. Solche Momente schaffen tiefes Vertrauen.

👀 Verbindung durch nonverbale Kommunikation

Experimentieren Sie mit intensivem Augenkontakt oder entwickeln Sie eine private „Sprache“ aus Gesten und Zeichen, die nur Sie beide verstehen.

🎨 Kreatives Zusammensein planen

Starten Sie ein gemeinsames Tagebuch oder besuchen Sie kreative Workshops. Schaffen Sie etwas Neues zusammen, das Ihre Beziehung inspiriert.

🕊️ Stille gemeinsam genießen

Planen Sie Momente der gemeinsamen Stille, etwa durch Meditation oder einfaches Zusammensitzen. In der Stille kann Nähe entstehen, die Worte oft nicht erreichen.

🪞 Reflexion als Paar einführen

Führen Sie monatlich eine „Beziehungsklausur“ durch: Reflektieren Sie, was gut läuft und wo Sie sich weiterentwickeln können.

🌟 Gemeinsame Werte bewusst leben

Diskutieren Sie, welche Werte Ihnen wichtig sind, und integrieren Sie diese in den Alltag, z. B. durch gemeinsames ehrenamtliches Engagement.

😂 Humor bewusst einsetzen

Schaffen Sie Gelegenheiten zum gemeinsamen Lachen. Insider-Witze oder absurde kleine Spiele verbinden auf unbeschwerte Weise.

🤲 Körperliche Nähe durch Rituale stärken

Entwickeln Sie feste Rituale, wie morgendliches Umarmen oder ein „Gute-Nacht-Handhalten“. Berührungen stärken die Bindung.

🎁 Überraschungselemente einbauen

Überraschen Sie Ihren Partner mit kleinen, unerwarteten Gesten, wie einem handgeschriebenen Brief oder einem spontanen Ausflug.

Nachdem wir nun konkrete Maßnahmen zur Förderung von Intimität betrachtet haben, lassen wir einen Experten zu Wort kommen. Dr. Nähe Liebensherz erklärt im Interview, warum Intimität für Beziehungen essenziell ist und wie Paare sie nachhaltig vertiefen können.

Intimität erleben – Ein Interview mit Dr. Nähe Liebensherz

Redakteur: Herzlich willkommen, Dr. Liebensherz! Sie haben sich als unabhängiger Psychologe und Paartherapeut einen Namen gemacht, vor allem für Ihre innovativen Ansätze zum Thema Intimität. Beginnen wir direkt: Warum fällt es vielen Paaren so schwer, Intimität zu erleben?

Dr. Liebensherz: Danke für die Einladung! Das Hauptproblem ist oft, dass viele Menschen Intimität mit Romantik oder körperlicher Nähe gleichsetzen. Dabei geht es viel tiefer. Intimität entsteht vor allem durch emotionale Sicherheit – das Gefühl, man selbst sein zu dürfen, ohne Angst vor Ablehnung. Leider wird dieses Fundament häufig durch Kritik, Erwartungsdruck oder mangelnde Wertschätzung geschwächt.


Redakteur: Was verstehen Sie unter emotionaler Sicherheit?

Dr. Liebensherz: Emotionale Sicherheit bedeutet, dass beide Partner darauf vertrauen können, dass ihre Gefühle ernst genommen werden. Es geht darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der keine Scham oder Angst vor Urteilen herrscht. Ein Beispiel: Viele Menschen vermeiden es, über Unsicherheiten oder Bedürfnisse zu sprechen, weil sie befürchten, als schwach wahrgenommen zu werden. Dabei sind genau diese Gespräche der Schlüssel, um Nähe zu vertiefen.


Redakteur: Gibt es Übungen, die Paaren helfen können, diese Sicherheit aufzubauen?

Dr. Liebensherz: Absolut! Eine meiner Lieblingsübungen ist die sogenannte „Verletzlichkeitsrunde“. Dabei setzt sich das Paar bewusst zusammen und teilt eine Unsicherheit oder Angst, ohne dass der andere darauf reagiert – weder mit Lösungen noch mit Ratschlägen. Es geht nur ums Zuhören. Diese Übung zeigt, wie wichtig es ist, einfach präsent zu sein und den anderen in seiner Verletzlichkeit anzunehmen.


Redakteur: Viele Paare kämpfen mit der Zeitknappheit. Wie kann man im stressigen Alltag Intimität erleben?

Dr. Liebensherz: Das ist ein häufiges Thema. Ich sage meinen Klienten immer: Intimität braucht nicht viel Zeit, sondern Qualität. Es geht darum, kleine, aber bedeutungsvolle Momente zu schaffen. Zum Beispiel können Sie Ihrem Partner morgens eine ehrliche Frage stellen wie: „Was ist heute das Wichtigste für dich?“ und abends darauf zurückkommen. Es sind diese scheinbar unscheinbaren Gesten, die zeigen: „Ich sehe dich.“


Redakteur: Sie sprechen viel von Alltagsnähe. Wie wichtig sind spontane Überraschungen für Intimität?

Dr. Liebensherz: Überraschungen sind fantastisch, weil sie den Fokus verändern und Leichtigkeit in die Beziehung bringen können. Eine witzige, aber effektive Idee ist ein „Intimitätswürfel“: Jeder Partner schreibt sechs spontane Aktivitäten auf, die Nähe schaffen können – von einem Überraschungsausflug bis hin zu einem improvisierten Tanz im Wohnzimmer. Der Würfel entscheidet dann, was gemacht wird. Das sorgt für Freude und Verbindlichkeit zugleich.


Redakteur: Was halten Sie von der Rolle der eigenen Persönlichkeit im Intimitätsprozess?

Dr. Liebensherz: Das ist ein entscheidender Punkt. Oft vergessen wir, dass wir Intimität nicht nur im Paar erleben, sondern auch mit uns selbst. Wer sich selbst gut kennt und akzeptiert, kann diese Selbstakzeptanz viel leichter auf seinen Partner übertragen. Daher rate ich, auch Zeit für sich allein einzuplanen, um zu reflektieren: „Was brauche ich, um mich verbunden zu fühlen?“


Redakteur: Gibt es Ihrer Meinung nach kulturelle oder gesellschaftliche Einflüsse, die Intimität erschweren?

Dr. Liebensherz: Ja, definitiv. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft neigen viele dazu, Intimität als etwas zu sehen, das „erreicht“ werden muss – wie ein Ziel. Aber das ist ein Trugschluss. Intimität ist ein Prozess, kein Produkt. Sie entsteht durch bewusste Entscheidungen und das aktive Bemühen, im Moment zu sein, nicht durch das Streben nach Perfektion.


Redakteur: Zum Abschluss: Ihr wichtigster Tipp, um Intimität zu erleben?

Dr. Liebensherz: Lassen Sie den Druck los, immer „alles richtig machen“ zu müssen. Intimität bedeutet, gemeinsam authentisch zu sein – mit all den Fehlern, Freuden und Herausforderungen, die dazugehören. Seien Sie neugierig aufeinander, und vergessen Sie nicht, dass Intimität kein Projekt ist, sondern ein Geschenk, das Sie sich gegenseitig machen.


Redakteur: Vielen Dank für das inspirierende Gespräch, Dr. Liebensherz!

Dr. Liebensherz: Es war mir eine Freude. Intimität erleben ist eine der schönsten Herausforderungen, die wir uns stellen können.

Intimität im Alltag verankern

Intimität muss nicht kompliziert sein. Sie zeigt sich oft in den kleinen Dingen, die wir im Alltag tun. Ein liebevoller Blick, ein Dankeschön für die Unterstützung oder eine kurze Nachricht, die zeigt, dass Sie an Ihren Partner denken – all diese Gesten senden die Botschaft: „Du bist mir wichtig.“

Auch gemeinsame Rituale, wie das Frühstück am Sonntagmorgen oder das Erzählen der Highlights des Tages vor dem Einschlafen, schaffen eine konstante Verbindung. Der Alltag mag uns oft herausfordern, aber gerade in diesen Routinen liegt die Chance, Nähe zu bewahren und zu vertiefen.

Intimität in nicht-romantischen Beziehungen

Intimität ist nicht ausschließlich auf romantische Partnerschaften beschränkt. Auch Freundschaften oder familiäre Beziehungen profitieren von emotionaler Nähe. In Freundschaften zeigt sich Intimität oft durch das Teilen von Geheimnissen, das Unterstützen in Krisen oder das gemeinsame Lachen. In Familienbeziehungen ist Intimität häufig mit Vertrauen und dem Gefühl von Geborgenheit verbunden.

Auch berufliche Partnerschaften können von intimer Kommunikation profitieren. Ein offenes Arbeitsklima, in dem Teammitglieder ehrlich ihre Meinungen äußern dürfen, fördert Zusammenarbeit und Zufriedenheit.

Praktische Tools und Ressourcen

Es gibt zahlreiche Tools und Ressourcen, die helfen, Intimität gezielt zu fördern:

  • Apps wie „Gottman Card Decks“ bieten Übungen für Paare, um Kommunikation und Nähe zu stärken.
  • Bücher wie „Die fünf Sprachen der Liebe“ von Gary Chapman geben hilfreiche Tipps, wie Partner ihre Zuneigung auf eine Weise ausdrücken können, die der andere versteht.
  • Geführte Meditationen und Journaling-Vorlagen helfen, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle besser zu verstehen.

Herausforderungen und Grenzen von Intimität

Nicht jeder fühlt sich wohl, sich vollständig zu öffnen. Bindungsangst, die Furcht vor Verletzungen oder die Angst, Autonomie zu verlieren, kann Intimität blockieren. Um damit umzugehen, ist Geduld erforderlich. Auch Therapie kann helfen, tief verwurzelte Ängste zu überwinden.

Es ist wichtig, die Balance zwischen Nähe und individueller Freiheit zu wahren. Zu viel Nähe kann erdrückend wirken, während zu wenig Autonomie die persönliche Entfaltung behindert.

Intimität in Krisenzeiten

Krisen wie Krankheiten, Arbeitslosigkeit oder Trauer stellen Partnerschaften auf die Probe. In solchen Zeiten ist es besonders wichtig, präsent und empathisch zu sein. Statt Lösungen anzubieten, hilft es oft mehr, einfach zuzuhören und dem Partner emotionale Unterstützung zu geben.

Konflikte können auch eine Gelegenheit sein, Intimität zu vertiefen. Studien zeigen, dass Paare, die lernen, Konflikte konstruktiv zu lösen, langfristig eine engere Verbindung aufbauen können.

Intimität und Sexualität

Obwohl Intimität über Sexualität hinausgeht, sind beide oft miteinander verbunden. Eine erfüllte Sexualität kann emotionale Nähe stärken, während eine gute emotionale Verbindung das sexuelle Erleben verbessert.

Unterschiede in Bedürfnissen oder Vorlieben können jedoch Herausforderungen darstellen. Hier helfen offene Gespräche und einfühlsame Kommunikation, um gemeinsame Lösungen zu finden.

Intimität als Wachstumsprozess

Intimität ist kein statisches Ziel, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Beziehungen entwickeln sich und mit ihnen auch die Art und Weise, wie Nähe erlebt wird. Kleine, aber regelmäßige Schritte – wie bewusstes Zuhören oder das Teilen von Gedanken – können langfristig eine tiefe Verbindung schaffen.

Intimität ist ein Geschenk, das ständig neu gestaltet werden kann. Sie erfordert Mut, Geduld und die Bereitschaft, sich selbst und dem Partner immer wieder neu zu entdecken.

Die Belohnung echter Nähe

Intimität ist ein Geschenk, das weit über die Partnerschaft hinausreicht. Sie gibt uns ein Gefühl von Zugehörigkeit, stärkt unser Selbstbewusstsein und schafft eine stabile Basis für alle Herausforderungen des Lebens. Paare, die sich nah sind, erleben nicht nur mehr Zufriedenheit in ihrer Beziehung, sondern profitieren auch von einer stärkeren emotionalen Resilienz.

Eine Partnerschaft, die auf echter Nähe basiert, ist eine Quelle der Kraft und des Glücks. Investieren Sie in diese Verbindung – es wird sich lohnen. Denn Nähe ist nicht nur das Ziel, sondern der Weg, der uns tiefer miteinander verbindet.

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